Eine Falschfahrt, die ist lustig...

Bullay - Traben-Trarbach
Antworten
Benutzeravatar
Z-Steller
Beiträge: 58
Registriert: Mittwoch 17. Januar 2007, 18:00

Eine Falschfahrt, die ist lustig...

Beitrag von Z-Steller »

Am 21.04. kam ich etwas früher zur Spätschicht, weil ich vor der Dienstübernahme noch fotografieren wollte. Und siehe da, es lohnte sich: der Kollege mußte wegen einer Weichenstörung ins falsche Gleis ausfahren.

Das hat man längst nicht alle Tage! So kam ich nicht nur in den Genuß einer Falschfahrt über das Pündericher Viadukt, sondern konnte Selbige auch noch im Bilde festhalten.



Bild

Leider gehorchte auch das Falschfahrt-Auftragssignal Zs8 nicht dem Tasten-Druck, sodaß ein schriftlicher Befehl diktiert wurde; daher kein Bild des Ausfahrsignals. Die Weichenverbindung weist den rechten Weg, nämlich nach links.



Bild

Auf dem falschen Gleis über die Doppelstockbrücke.



Bild

Die Galerie des Pündericher Viaduktes von der "anderen Seite".



Bild

Das niedrigstehende Hauptsignal in Zwergausführung am Abzweig Pünderich zeigt Hp0 + Zs1; weiter geht es auf Ersatzsignal in Richtung Traben-Trarbach.



Bild

Die Weichen der Gleisverbindung liegen geradeaus; auf der Hinfahrt ein ungewohnter Anblick. Leider fährt der Triebwagen nachmittags gegen die Sonne, dadurch entstehen lästige Spiegelungen in der Frontscheibe.



Bild

Ab dieser Stelle ist wieder alles in Butter. Das galt im Übrigen auch für den Rest des Tages; die Störung trat nicht mehr auf. Es könnte mit der interessanten Technikkonstellation zusammenhängen: in Bullay liegt Siemens-SpDrS60, das Wittlicher Stellwerk ist jedoch mit Lorenz ausgerüstet. Die Anpassung gelang trotz ziemlichen Aufwandes nicht völlig: es gibt in Bullay keinen Selbststellbetrieb, jede Zugfahrt muß von Hand gestellt werden. Vielleicht hatte das zuständige Relais gerade Pause :roll: .



Nota: Selbstverständlich weiß ich, daß das Betriebsverfahren seit neuestem kurz, einfach, allgemeinverständlich und einprägsam "Fahren auf dem Gegengleis mit Signal Zs8" heißt. Aber zum Teufel noch mal, ich hänge einfach so an dem alten, umständlichen, komplizierten "SFB"..... :evil:
Benutzeravatar
bluesbrother
Moderator
Beiträge: 2250
Registriert: Mittwoch 10. November 2004, 21:17
Wohnort: Mechernich

Beitrag von bluesbrother »

Ist ja das gleiche mit gemeint. Auch wir Fdl fahren immer noch "links".
Interessant ist das niedrigstehende Hauptsignal mit dem Zs 1. Diese Ausführung habe ich noch nicht gesehen.
Hat dieses auch noch eine Grün- und Gelblampe? Ist auf dem Bild etwas schlecht zu erkennen.
Gruß aus der Nordeifel!
Lupushortus
Beiträge: 546
Registriert: Sonntag 8. Mai 2005, 11:02
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag von Lupushortus »

Wie ist denn die betriebliche Situation auf diesem Streckenteil? Für mich sieht es aus, als ob die Strecke "so halb" für Gleiswechselbetrieb ausgerüstet ist. Es gibt ein Ne2 solo ohne Signal mit (dauerhaft scharfem?) 1000er Magnet. Und dann das Hauptsignal, das scheinbar nur Hp0 und eben wie hier noch Zs1 zeigen kann.
Benutzeravatar
Z-Steller
Beiträge: 58
Registriert: Mittwoch 17. Januar 2007, 18:00

Beitrag von Z-Steller »

@ bluesbrother:
Nein, das Signal hat nur ein rotes Licht und zeigt ständig Hp0.

@ lupushortus:
Der Streckenteil ist mit "Signalisiertem Falschfahrbetrieb" (SFB) in einer besonderen Bauform, Erklärung unten, ausgerüstet. Das heißt, ausfahren mit Zs8 "Falschfahrt-Auftragssignal", im falschen Gleis ohne weitere Signale bis zum Abzweig fahren, dort weiterfahren mit Zs1 "Ersatzsignal".


Allgemein:

Normalerweise sieht die Signalisierung am falschen Gleis so aus: zuerst im Bremswegabstand eine "Vorsignaltafel" Ne2 mit ständig wirksamem 1000 Hz-Magnet, in Höhe des Hauptsignals des richtigen Gleises ein ganz normales, niedrig stehendes Gleissperrsignal (genannt "Schotterzwerg") mit den Signalbildern Sh0 oder Sh1 für Halt oder Weiterfahrt und 2000 Hz-Magnet. In neuerer Zeit wurden auch noch 500 Hz-Magnete nachgerüstet.

In den 70ern kam man auf die Idee, auch für Falschfahrten eine Art "Hauptsignal" einzuführen. Vielleicht hielt man ein von der freien Strecke aus erblicktes Schutzhaltsignal für irritierend? Von der Logik her ist es ja nicht verkehrt: eine Zugfahrt endet wie gewohnt am Hp0, und die Weiterfahrt erfolgt - wie die vorhergegangene Ausfahrt - auf ein Zusatzsignal.

Damit ergeben sich einheitliche Signalkombinationen:
- Ausfahrt = Hp0 + Zs8
- Einfahrt = Hp0 + Zs1

Jedenfalls wurde diese Sonderbauform entwickelt und an mehreren Stellen der Moselstrecke erprobt, wo sie auch heute noch stehen. Zur bundesweiten Einführung kam es jedoch nicht: das hätte wieder viel Geld gekostet, und so schlief das Ganze dann ein.


Die Vermutung des "halben Gleiswechselbetriebs" ist gar nicht so weit hergeholt, denn im Grunde ist SFB nichts anderes: die Vorteile des SFB liegen in der wesentlich schnelleren Betriebsabwicklung im Vergleich zum Befehle schreiben, sowie in den niedrigeren Baukosten im Vergleich zum "Gleiswechselbetrieb" (GWB). Bei GWB muß jedes Streckengleis Hauptsignale für beide Fahrtrichtungen besitzen, wie eine eingleisige Strecke. Das verschlingt immense Summen für aufwändige Stellwerke.



Nachtrag: mittlerweile schert man alles über einen Kamm und spricht nur noch vom "Fahren auf dem Gegengleis". Die alten Unterscheidungen FB / SFB / GWB sind offiziell nicht mehr im Gebrauch, deren Regeln aber schon. Wofür das gut sein soll? Irgend ein neuer Sessel****** hat sich damit seine Existenzberechtigung verdient :? Sonst würde ja keiner merken, daß der Kerl da ist...
_Peter
Beiträge: 514
Registriert: Mittwoch 26. Oktober 2005, 20:26
Wohnort: Bonn

Beitrag von _Peter »

Zs8 = Gegengleisfahrt-Ersatzsignal
Am Schotterzwerg 2 rote Lichter = Hp0
falsches Gleis = Gegengleis

Heutzutage scheint man sowas aber gar nicht mehr zu bauen. Entweder Hauptsignal ("GWB") oder ausschließlich 500 Hz-Schwingkreis am Gegengleis.
Lupushortus
Beiträge: 546
Registriert: Sonntag 8. Mai 2005, 11:02
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag von Lupushortus »

@ Z-Steller: Vielen Dank für die ausführlichen Infos. Immer wieder interessant, was man so abseits vom Üblichen sieht.

Auf http://www.stellwerke.de/kabinett/index.html gibt es übrigens noch weitere "Schätzchen".
Vorteile des SFB liegen in der wesentlich schnelleren Betriebsabwicklung im Vergleich zum Befehle schreiben
Wenn denn das Knöpfchen dafür auch funktioniert ;-) Vor ein paar Jahren gab es in KEU mal einen Stromausfall im Stellwerk. Für die Ausfahrt nach Bonn konnte noch ein Zs1 geschaltet werden, Richtung Köln war alles komplett tot. Also kam der Fdl mit dem schriftlichen Befehl angehechelt :-)

Viele Grüße
Marco
Benutzeravatar
Z-Steller
Beiträge: 58
Registriert: Mittwoch 17. Januar 2007, 18:00

Beitrag von Z-Steller »

Hier noch eine Detailaufnahme des Hauptsignals in Zwergausführung am Abzweig Pünderich (während der Fahrt fotografiert und Ausschnittvergrößerung, daher unscharf):

Bild
Antworten

Zurück zu „Bullay - Traben-Trarbach“