"Fakten-Check"

Gerolstein - Prüm [-Pronsfeld - Bleialf - St.Vith]
M&M
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"Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Guten Tag allerseits,

mein Name ist Michael Müller, besser bekannt als "M&M". Die aktuelle Diskussion "Für den Erhalt der Westeifelbahn" trieb mich zur Anmeldung für http://www.eifelbahnforum.de. Denn meine Tastatur schrie danach bedient werden zu wollen!
In dieser heißen Diskussion wurden scheinbare Argumente vorgebracht, die aber bei näherer Betrachtung lediglich Thesen waren. Was mir fehlte ist das, was mediendeutsch "Fakten-Check" genannt wird.
Ich möchte mich daran nun versuchen:

a) Frequentierung Maare-Mosel-Radweg (kurz MMR):
- Es gibt bis heute keine qualifizierten Veröffentlichungen über die tatsächlichen Nutzerzahlen. Folglich: Jede Annahme über die Frequentierung des Radweges und die Entwicklung der Nutzerzahlen ist mehr oder weniger spekulativ.
- Die Annahmen stützen sich in der Regel auf eigene Beobachtungen. Diese Methode ist aber denkbar unrepräsentativ: Denn wer steht das ganze Jahr bei Wind und Wetter von morgens bis abends am Radweg? Die Beobachtung entsteht wohl eher im Rahmen einer eigenen Radtour und überschneidet sich somit "zufällig" immer mit besonders beliebten Tagen und Uhrzeiten: Eher im Sommer als im Winter, eher bei Sonne als bei Regen, beispielsweise morgens um 10:00 Uhr in Daun statt um 16:30 Uhr in Pantenburg usw.
- Somit kann kein realistischer Durchschnittswert über die jährliche Frequentierung angenommen werden, sondern lediglich über die Frequentierung an Spitzentagen. Doch auch da täuscht das menschliche Auge schnell: Wenn mir zwischen Daun und Schalkenmehren 80 Radler auf dem Radweg entgegen kämen, wäre meine Laune im Keller, weil ich mir wie auf einer Ameisen-Autobahn vorkäme. Dagegen wäre eine zweiteilige VT98-Garnitur mit 80 Fahrgästen nicht mal voll.

b) Vergleich MMR und ein Radweg auf der Westeifelquerbahn (WQB):
- Die Kilometerlänge ist unterschiedlich
- Der MMR verbindet Mosel und Maare - und die WQB???
- Der MMR ist kein Lückenschluss!
- Der MMR verläuft über zwei Viadukte und drei Tunnelbauwerke - und die WQB???
- Der MMR ist von Gerolstein per Schienenbus angebunden!

c) Frequentierung eines SPNV auf der WQB:
Hierzu ein Vergleich zwischen Gerolstein - Daun (Reaktivierung 2015 geplant) und Gerolstein - Prüm (Reaktivierung im täglichen SPNV wird von den meisten Schreibern jener Diskussion offenkundig abgelehnt, weil beispielsweise die noch mobilen Personen der 600 Einwohner Büdesheimes wohl kaum zum Hp.Büdesheim gehen würden)
- In Daun Stadt wohnen etwa 4.000 Menschen, in Prüm Stadt etwa 4.500 Menschen!
- Die Endstation in Prüm wäre unstrittig zentraler gelegen als in Daun
- Die EFQ hat zusätzlich die Potentiale von Pelm, Dockweiler und Rengen (Hohenfels zähle ich absichtlich nicht mit). Die WQB von Lissingen, Müllenborn und Wilwerath (den Rest zähle ich wiederum absichtlich nicht mit, da ich hier keine Zwischenhalte mehr einlegen würde).
- Beide Strecken sind etwas mehr als 20km lang. Auch die Eifelquerbahn verläuft in Kurven um die Ortschaften herum (bspw. Betteldorf). Trotzdem beträgt die Fahrtzeit nur 30 Minuten. 30 Minuten von Prüm nach Gerolstein wären eine durchaus zum Pkw mehr oder weniger konkurrenzfähige Zeit
- Was die Investitionskosten angeht: In Anbetracht dessen, was für Reaktivierungen investiert wird, dürfte der derzeit etwas schlechtere Infrastrukturzustand der WQB kaum ins Gewicht fallen. Da bleibt so oder so kaum ein Stein auf dem anderen.
- Kurzum: Was für die EFQ spricht, dürfte auch für die WQB gelten. Und in beiden Fällen würde der Erfolg natürlich mit dem SPNV/ÖPNV-Gesamtkonzept stehen und fallen (Bus-Anschlüsse in Daun bzw. Prüm, ideale Anbindung an die Eifelstrecke bzw. möglichst sogar ein Flügelkonzept mit umsteigefreien Direktverbindungen usw.)

Beste Grüße!
Euer M&M
rrobby
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von rrobby »

@ Michael: Einen Punkt möchte ich beim Vergleich EQB und WQB noch ansprechen. Die EQB ist eine durchgehende Bahnstrecke, die über Daun über zahlreiche andere Orte bis nach Andernach an die Rheinstrecke führt..... während die WQB halt nur eine Stichstrecke ist, die vor Prüm endet.....
LG rrobby
Wir alle leben unter dem gleichen Himmel, aber nicht alle haben den gleichen Horizont
M&M
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

...wobei die durchgehende Strecke gegenüber der Stichstrecke nur dann tatsächlich Vorteile hat, wenn dadurch die Frequentierung im betrachteten Streckenabschnitt (hier: Gerolstein - Daun) tatsächlich signifikant höher ausfiele. Dieser Standpunkt kann natürlich grundsätzlich für die EFQ vertreten werden. Ich persönlich habe hieran aber aus folgendem Grunde auch erheblich Zweifel: Im Mittelabschnitt Daun - Ulmen - Kaisersesch liegen nicht unbedingt wichtige Ein- und Ausstiegshalte und es bleibt offen, wieviele Reisende tatsächlich in Gerolstein in einen Zug einsteigen würden, um bis nach Mayen oder Andernach zu fahren. Frühere Gutachter sahen m.W. daher just in diesem Mittelabschnitt das geringste Verkehrsaufkommen und die größte Nachfrage jeweils zwischen den Städten Gerolstein und Daun bzw. Kaisersesch und Mayen.
Gruß M&M
Rolf
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von Rolf »

Herzlich willkommen, da hat unsere Diskussion dann ja doch was gebracht!
M&M hat geschrieben:Es gibt bis heute keine qualifizierten Veröffentlichungen über die tatsächlichen Nutzerzahlen. Folglich: Jede Annahme über die Frequentierung des Radweges und die Entwicklung der Nutzerzahlen ist mehr oder weniger spekulativ.
Ich bin selbser mal - vor Jahren allerdings - in eine solche Zählung geraten (hinter dem Tunnel "großes Schlitzohr") und habe mich mit den Leuten unterhalten. Das war wohl eine Zählung über das ganze Wochenende. Uns als Skater wollte man nicht mitzählen. Es ging nur um Fahrradfahrer. Es wird also schon gezählt, nur weiß ich auch nicht mehr von wem und wo die Zahlen verwendung finden. Die Zahlen waren überraschend hoch. Mehr weiß ich aber leider nicht mehr.
M&M hat geschrieben:Die Annahmen stützen sich in der Regel auf eigene Beobachtungen. Diese Methode ist aber denkbar unrepräsentativ: Denn wer steht das ganze Jahr bei Wind und Wetter von morgens bis abends am Radweg? Die Beobachtung entsteht wohl eher im Rahmen einer eigenen Radtour und überschneidet sich somit "zufällig" immer mit besonders beliebten Tagen und Uhrzeiten: Eher im Sommer als im Winter, eher bei Sonne als bei Regen, beispielsweise morgens um 10:00 Uhr in Daun statt um 16:30 Uhr in Pantenburg usw.
stimmt!

M&M hat geschrieben:Somit kann kein realistischer Durchschnittswert über die jährliche Frequentierung angenommen werden, sondern lediglich über die Frequentierung an Spitzentagen. Doch auch da täuscht das menschliche Auge schnell: Wenn mir zwischen Daun und Schalkenmehren 80 Radler auf dem Radweg entgegen kämen, wäre meine Laune im Keller, weil ich mir wie auf einer Ameisen-Autobahn vorkäme. Dagegen wäre eine zweiteilige VT98-Garnitur mit 80 Fahrgästen nicht mal voll.
Vorsicht: Der MMR wird aus naheliegenden Gründen vorzugsweise bergab genutzt, so dass es nich verwundert, dass Dir bei der Talfahrt rel. wenige Personen (bergauf) entgegenkommen. Umgekehrt dürfte die Zahl wesentlich höher sein, was meine subjektiven Beobachtungen bestätigen.
M&M hat geschrieben: b) Vergleich MMR und ein Radweg auf der Westeifelquerbahn (WQB):
- Die Kilometerlänge ist unterschiedlich
- Der MMR verbindet Mosel und Maare - und die WQB???
- Der MMR ist kein Lückenschluss!
- Der MMR verläuft über zwei Viadukte und drei Tunnelbauwerke - und die WQB???
- Der MMR ist von Gerolstein per Schienenbus angebunden!

Und was sagt uns das? Den "Fahrradweg-Lückenschluss" ersetzt die VEB teilweise als "Zulieferer", aber, ganz richtig, nur teilweise. Wäre der MMR ein "echter" Lückenschluss im Radwegenetz, wie es die Trasse der Westeifelbahn als Fahrradweg wäre, wären noch deutlich mehr Fahrradfahrer zu erwarten.

M&M hat geschrieben:c) Frequentierung eines SPNV auf der WQB: Hierzu ein Vergleich zwischen Gerolstein - Daun (Reaktivierung 2015 geplant) und Gerolstein - Prüm (Reaktivierung im täglichen SPNV wird von den meisten Schreibern jener Diskussion offenkundig abgelehnt, weil beispielsweise die noch mobilen Personen der 600 Einwohner Büdesheimes wohl kaum zum Hp.Büdesheim gehen würden)
- In Daun Stadt wohnen etwa 4.000 Menschen, in Prüm Stadt etwa 4.500 Menschen!
- Die Endstation in Prüm wäre unstrittig zentraler gelegen als in Daun
- Die EFQ hat zusätzlich die Potentiale von Pelm, Dockweiler und Rengen (Hohenfels zähle ich absichtlich nicht mit). Die WQB von Lissingen, Müllenborn und Wilwerath (den Rest zähle ich wiederum absichtlich nicht mit, da ich hier keine Zwischenhalte mehr einlegen würde).
- Beide Strecken sind etwas mehr als 20km lang. Auch die Eifelquerbahn verläuft in Kurven um die Ortschaften herum (bspw. Betteldorf). Trotzdem beträgt die Fahrtzeit nur 30 Minuten. 30 Minuten von Prüm nach Gerolstein wären eine durchaus zum Pkw mehr oder weniger konkurrenzfähige Zeit
- Was die Investitionskosten angeht: In Anbetracht dessen, was für Reaktivierungen investiert wird, dürfte der derzeit etwas schlechtere Infrastrukturzustand der WQB kaum ins Gewicht fallen. Da bleibt so oder so kaum ein Stein auf dem anderen.
- Kurzum: Was für die EFQ spricht, dürfte auch für die WQB gelten. Und in beiden Fällen würde der Erfolg natürlich mit dem SPNV/ÖPNV-Gesamtkonzept stehen und
Ein wichtiger Unterschied wurde unten bereirs benannt. Daun ist Durchgangsstation, Prüm wäre das Ende einer Sackgasse.
M&M
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Guten Abend Rolf,

danke für das nette Aufnehmen in der Foren-Diskussion!
Rolf hat geschrieben:Ich bin selbser mal - vor Jahren allerdings - in eine solche Zählung geraten (hinter dem Tunnel "großes Schlitzohr") und habe mich mit den Leuten unterhalten. Das war wohl eine Zählung über das ganze Wochenende. Uns als Skater wollte man nicht mitzählen. Es ging nur um Fahrradfahrer. Es wird also schon gezählt, nur weiß ich auch nicht mehr von wem und wo die Zahlen verwendung finden. Die Zahlen waren überraschend hoch. Mehr weiß ich aber leider nicht mehr.
Ja, ich würde aus gutem Grunde nicht behaupten, dass keine Zahlen existieren. Sie werden lediglich nirgendwo qualitativ veröffentlicht. Und das macht misstrauisch...
Rolf hat geschrieben:Vorsicht: Der MMR wird aus naheliegenden Gründen vorzugsweise bergab genutzt, so dass es nich verwundert, dass Dir bei der Talfahrt rel. wenige Personen (bergauf) entgegenkommen. Umgekehrt dürfte die Zahl wesentlich höher sein, was meine subjektiven Beobachtungen bestätigen.
Kein Widerspruch. Meine Aussage lautet, dass beispielsweise zu einer typischen "Start-Zeit" an der "Bergstation" (Daun) viel los ist, aber diese Beobachtung nicht unbedingt repräsentativ für die durchschnittliche Frequentierung im Laufe des Tages ist.
Rolf hat geschrieben:Und was sagt uns das? Den "Fahrradweg-Lückenschluss" ersetzt die VEB teilweise als "Zulieferer", aber, ganz richtig, nur teilweise. Wäre der MMR ein "echter" Lückenschluss im Radwegenetz, wie es die Trasse der Westeifelbahn als Fahrradweg wäre, wären noch deutlich mehr Fahrradfahrer zu erwarten.
Das ist eine Spekulation ohne empirische Grundlage, an der ich mich ungern beteiligen möchte. Immerhin wird das genaue Gegenteil sogar von einigen früheren EFQ-Gegnern vertreten: Es ist zweifelhaft, ob die Familie aus Euskirchen lieber 25 Kilometer mit heftigen Steigungen nach Daun radeln und dort nach vielleicht 2 oder 3 Stunden ankommen als mit dem Schienenbus bequem in 30 Minuten dorthin fahren würde.
Rolf hat geschrieben:Ein wichtiger Unterschied wurde unten bereirs benannt. Daun ist Durchgangsstation, Prüm wäre das Ende einer Sackgasse.
Der Unterschied stimmt, aber ist nur relevant, wenn tatsächlich wesentlich mehr Durchgangsreisende über Daun hinaus quer durch die Eifel fahren als in Prüm in einen Anschlussbus umsteigen würden. Die These ist sicherlich vertretbar, aber sie hat bislang auch keine empirische Grundlage. Ich verweise auch nicht zuletzt auf das Gutachten zur EFQ in den 90er Jahren.

Gruß M&M
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Noch als Ergänzung zum letzten Punkt: Dabei gab es die Autobahn in den 90er Jahren erst ab Ulmen - heute ist die Alternative zur EFQ bereits die A1/A48 ab der Anschlussstelle Gerolstein (nahe Dockweiler): über Darscheid, Ulmen, Kaisersesch, Mayen...
Daher halte ich die Prognose des Verkehrsaufkommens Daun - Ulmen - Kaisersesch für noch wesentlich problematischer als für die WQB, die eine Alternative zu einer Bundesstraße darstellt, die stark belastet ist und auf der sich leider immer wieder schwerste Unfälle (und Schnee-Verwehungen im Winter) ereignen.
Gruß M&M
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SST
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von SST »

M&M hat geschrieben: - Die Endstation in Prüm wäre unstrittig zentraler gelegen als in Daun
Hallo M&M,

erst einmal herzlich willkommen. Ich will jetzt weder die ganzen Diskussionspunkte wieder neu aufwärmen noch irgendwie als "Gegner" eines täglichen 365-Tage SPNV Prüm-Gerolstein gelten. Wenn genug Geld in der ÖPNV-Kasse ist: meinetwegen immer los :wink: .

Aber: ein neuer Sackbahnhof "Prüm Kurpark" oder wie auch immer man den neuen Stumpfbahnsteig nennen würde, liegt nun mal NICHT zentral in Prüm (und hier m.E. egal wie der Bahhof Daun liegt). Am alten Bahnhof wird es sicher nicht wieder einen Bahnbetrieb geben. Und der zentrale Omnibusumsteigepunkt ist in Prüm der Hahnplatz und wird auch - da bin ich mir doch ziemlich sicher - nicht zum heutigen stumpfen Gleisende im Norden der Stadt verlegt werden.

Um mich zu wiederholen: für einen touristischen Ausflugsverkehr wäre "Prüm Kurpark" natürlich kein weiteres Problem. Für den morgendlichen Schülerverkehr allerdings durchaus!
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Guten Abend SST,

und auch ein Dankeschön für deine Willkommensgrüße. Ich wollte die pro/contra-Diskussion für einen 365-Tage-SPNV auch weder neu aufwärmen noch mich dazu positionieren, sondern bei einige "Fakten checken". Und so gesehen stimmt dir M&M auch voll zu:
- die Endstation in Prüm wäre zweifelsohne am heutigen Prellbock nahe Schwimmbad (ob "zentraler" oder "weniger zentral" als der alte Bahnhof sei der individuellen Meinung überlassen)
- Am alten Bahnhof in Prüm werden zweifelsohne nie wieder Gleise liegen und daher auch nie wieder Züge verkehren
- Die Anbindung der Buslinien (derzeit ZOB an der Basilika) und der WQB (mit Endstation am Schwimmbad) wäre dementsprechend nie mehr so ideal wie am alten Prümer Bahnhof.
- Schüler/innen aus Weinsheim, Gondelsheim, Büdesheim oder Oos könnten sicherlich nicht die Zielgruppe des WQB-SPNV sein, was in Anbetracht der Anzahl dieser Schüler/innen aber auch in der Gesamtrechnung nicht entscheidend ins Gewicht fallen dürfte.
Gruß M&M
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von SST »

M&M hat geschrieben:
- Schüler/innen aus Weinsheim, Gondelsheim, Büdesheim oder Oos könnten sicherlich nicht die Zielgruppe des WQB-SPNV sein, was in Anbetracht der Anzahl dieser Schüler/innen aber auch in der Gesamtrechnung nicht entscheidend ins Gewicht fallen dürfte.
Okay, lassen wir die SchülerInnen draußen vor. Aber WER soll mit den hübschen Bahn an einem Novembermittwoch um 09.00 h fahren?

Seit 30 Jahren fährt keiner mehr mit, vor 40 Jahren gab es nur noch wenige VT-Fahrten, vor 60 Jahren (also 1950) gab es bereits die Bahnbuslinie Gerolstein-Prüm-Neuerburg mit der damaligen Kurstabelle 1248q.

Wir kennen die Hintergründe des Bahnbaus (Militärtransporte an die Westgrenze). Der Eisenbahn-Personenverkehr war "von sich aus" noch nie rentabel.
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

SST hat geschrieben:Okay, lassen wir die SchülerInnen draußen vor. Aber WER soll mit den hübschen Bahn an einem Novembermittwoch um 09.00 h fahren?
Die Frage gehört dann aber nicht in den "Fakten-Check". Ich persönlich bin kein Freund davon, wenn Eisenbahnfreunde in einem Satz formulieren, warum Bahnstrecken reaktiviert werden sollen oder nicht. Dazu braucht es eine solide Daten-Grundlage, eine ordentliche Studie mit belastbaren Parametern, klar benannte Prämissen und Variablen sowie schließlich ein nachprüfbares Ergebnis. Letzteres sollte dann nicht lauten "Fährt eh keiner mit" oder "Die Bahn siegt", sondern beispielsweise "Unter den Prämissen a) b) und c) können wir einen kostendeckenden Betrieb bei einem Betriebskostenzuschuss xy in der Variante d) aufgrund folgender Zwischenergebnisse annehmen...". Denn sonst sind wir schnell beim Theken-Niveau in Gustavs Kneipe. Und wir sollten nicht vergessen: Wie wir es auch drehen oder wenden, bleibt es eine politische Entscheidung. Eine letzte Wahrheit gibt es nicht. Im Zweifelsfall wäre der Betriebskostenzuschuss der WQB ein paar Euro höher oder niedriger als auf einer anderen SPNV-Strecke - nicht mehr, nicht weniger. Am Rande: Leider beeinflußen ein paar 100 Fahrgäste das Betriebsergebnis gar nicht mal so sehr, weil der Betriebskostenzuschuss i.d.R. der wesentlich wichtigere Faktor für das EVU darstellt.
SST hat geschrieben:Seit 30 Jahren fährt keiner mehr mit, vor 40 Jahren gab es nur noch wenige VT-Fahrten, vor 60 Jahren (also 1950) gab es bereits die Bahnbuslinie Gerolstein-Prüm-Neuerburg mit der damaligen Kurstabelle 1248q.
Wir kennen die Hintergründe des Bahnbaus (Militärtransporte an die Westgrenze). Der Eisenbahn-Personenverkehr war "von sich aus" noch nie rentabel.
Es war, ist und wird immer eine politische Entscheidung sein, wie der Fahrplan aussieht. Betriebswirtschaftlich rentabel ist auch weder die Eifelstrecke Köln - Trier oder die ICE-Neubaustrecke Köln - Frankfurt. Unter gleicher Kalkulation ist es aber auch keine einzige Straße, da diese auch nur aus einem Topf des Gemeinwesens finanziert werden und nicht durch Nutzungsgebühren je Nutzer.
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Noch ein Beispiel als Nachtrag:
Es dürfte für die Einschätzung der Fahrgastnachfrage der WQB nicht unentscheidend sein, ob
a) die Triebwagen aus Prüm und Trier in Gerolstein vereinigt würden und gemeinsam bis Köln verkehrten, sodass die WQB-Fahrt der Teil einer Direktverbindung Prüm - Gerolstein - Köln wäre
b) der Triebwagen aus Prüm zumindest direkten Anschluss in Gerolstein hat, eine hohe Anschluss-Sicherheit besteht und der Triebwagen anschließend umsteigefrei Richtung Daun weiterfährt
c) der Triebwagen nur zwischen Prüm und Gerolstein pendelt sowie gegebenfalls auch kein optimaler Anschluss erreicht wird.
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von SST »

M&M hat geschrieben:
Ich persönlich bin kein Freund davon, wenn Eisenbahnfreunde in einem Satz formulieren, warum Bahnstrecken reaktiviert werden sollen oder nicht. Dazu braucht es eine solide Daten-Grundlage, eine ordentliche Studie mit belastbaren Parametern, klar benannte Prämissen und Variablen sowie schließlich ein nachprüfbares Ergebnis. Letzteres sollte dann nicht lauten "Fährt eh keiner mit" oder "Die Bahn siegt", sondern beispielsweise "Unter den Prämissen a) b) und c) können wir einen kostendeckenden Betrieb bei einem Betriebskostenzuschuss xy in der Variante d) aufgrund folgender Zwischenergebnisse annehmen...". Denn sonst sind wir schnell beim Theken-Niveau in Gustavs Kneipe.
Theken-Niveau in Gustavs Kneipe. : ein wunderbares "Totschlagargument" für jedwede Diskussion.

Von mir aus kann auch eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben werden, ob sich ein Schienenpersonennahverkehr zwischen Prüm und Gerolstein lohnt. Zumindest mir ist nichts anderes bekannt, als dass seit bald einem halben Jahrhundert vermutlich jede Verkehrszählung zu dem Ergebnis kommt: es rentiert sich nicht. Nach eigenem Augenschein würde ich darauf auch sehr leicht kommen.
M&M hat geschrieben: Und wir sollten nicht vergessen: Wie wir es auch drehen oder wenden, bleibt es eine politische Entscheidung.
Ich kenne allerdings keine Partei, die es sinnvoll findet 80l/100km-Talent-VTs nur aus Spaß durch Wälder alleine spazieren fahren zu lassen.

Und um "ein Paar Euro" geht es auch nicht. Alleine die Ertüchtigung der maroden Gleise für einen modernen 80km/h-SPNV würde zig und aberzig hunderttausende Euros kosten.Vom dann jährlichen Zuschuss ganz abgesehen.
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von SST »

Gerne möchte ich noch einmal meine Wunschoption A wiederholen: ein attraktiver Touristikverkehr (Vmax 40 km/h) auf der Westeifelbahn eingebunden mit diversen Attraktion, z.B.

- VT + Radgepäckwagen +VS um Radler bequem in die schöne Gegend mit vorhandenen tollen Radwegen zu bringen
- Fahrplan abgestimmt auf den Radlerbus Prüm - St. Vith
- Sonderfahrten mit 052 + n-Wagen + V100
- ggf. kombiniert mit Gourmet-Gutscheinen (die Küche von "Prüm" hat durchaus etwas zu bieten)
- ggf. kombiniert mit Übernachtungsgutscheinen (es gibt sehr schöne Themenzimmer in Prüm)
- ggf. kombiniert mit Busrundfahrt durch das landschaftlich schöne "Dreiländereck"
- Sonderzüge ggf. durchlaufend von Köln/Bonn und Trier
- ggf. in Zusammenarbeit mit der Jugendherberge Schülersonderzüge durchführen
- organisierte geführte Wanderungen von den romantisch gelegenen Unterwegshalten (nicht jeder Senior geht gerne alleine im Wald spazieren)
- Jahreskarten für Leute die öfters im Jahr die Bahn abschnittsweise für individuelle Wanderungen nutzen möchten

Und/oder als Option B eine deutliche Verbesserung des vorhandenen (Radlerbus-) Angebotes auf den bestehenden Linien: optimal mit einer durchgehenden Verbindung Cochem-Gerolstein-Prüm-St. Vith:

RegioRadler Cochem - Ulmen - Daun - Gerolstein (Linie 500) + Prüm - Gerolstein (Linie 411) + Prüm - St. Vith (z.Zt. Saisonverkehr)
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von SST »

M&M hat geschrieben:Noch als Ergänzung zum letzten Punkt: Dabei gab es die Autobahn in den 90er Jahren erst ab Ulmen - heute ist die Alternative zur EFQ bereits die A1/A48 ab der Anschlussstelle Gerolstein (nahe Dockweiler): über Darscheid, Ulmen, Kaisersesch, Mayen...
Daher halte ich die Prognose des Verkehrsaufkommens Daun - Ulmen - Kaisersesch für noch wesentlich problematischer als für die WQB, die eine Alternative zu einer Bundesstraße darstellt, die stark belastet ist und auf der sich leider immer wieder schwerste Unfälle (und Schnee-Verwehungen im Winter) ereignen.
Gruß M&M
Und warum ist die B410 vergleichsweise stark belastet? Doch nicht weil die Bürger aus Prüm andauernd nach Gerolstein hin- und herfahren, sondern zum großen Teil, weil es für Reisende von "Ost" (...Knoten Koblenz...) nach "West" (...Knoten Verviers...) eine bekannte und schnelle Abkürzung zwischen A48 und A60 ist und den Umweg via Wittlich (A1) bzw. gar via Aachen erspart. Diese Automobilisten würden sich wohl kaum in einem pendelnden Triebwagen Prüm-Gerolstein einfinden. :wink:
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Re: "Fakten-Check"

Beitrag von M&M »

Guten Tag SST,
SST hat geschrieben: i]Theken-Niveau in Gustavs Kneipe. [/i]: ein wunderbares "Totschlagargument" für jedwede Diskussion.
Von mir aus kann auch eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben werden, ob sich ein Schienenpersonennahverkehr zwischen Prüm und Gerolstein lohnt. Zumindest mir ist nichts anderes bekannt, als dass seit bald einem halben Jahrhundert vermutlich jede Verkehrszählung zu dem Ergebnis kommt: es rentiert sich nicht. Nach eigenem Augenschein würde ich darauf auch sehr leicht kommen.
Ich kenne allerdings keine Partei, die es sinnvoll findet 80l/100km-Talent-VTs nur aus Spaß durch Wälder alleine spazieren fahren zu lassen.
Und um "ein Paar Euro" geht es auch nicht. Alleine die Ertüchtigung der maroden Gleise für einen modernen 80km/h-SPNV würde zig und aberzig hunderttausende Euros kosten.Vom dann jährlichen Zuschuss ganz abgesehen.
Du kennst Gustavs Kneipe? Dann sollten wir uns da wahlweise auf ein Dauner Landbier oder ein Bitburger treffen und nett plaudern. Im "Fakten Check" ist allerdings festzuhalten:
- Du sprichst Verkehrszählungen an, wonach sich die Bahn nicht rentiere. Fakt ist aber, dass es bis heute keinerlei fundierte Untersuchung der Verkehrspotentiale der Reaktivierung der WQB gibt.
- Das Partei-Ziel "Talent-VTs nur aus Spaß durch Wälder alleine spazieren fahren zu lassen" ist mir auch nicht bekannt.
- Meine Aussage der "paar Euro" bezog sich auf die Betriebskosten, nicht auf die Investitionskosten. Und es war explizit keine Bewertung, ob die Kosten in einem positiven oder negativen Verhältnis zum Nutzen stehen. Fakt ist aber, dass die Fahrgeldeinnahmen leider de facto in keinem Falle auch nur annähernd zum kostendeckenden Betrieb des SPNV ausreichen. Je nach Strecke zahlt der Besteller vielleicht 80% oder 70% der Kosten und nur der Rest wird durch Fahrgelderlöse gedeckt. Bei 80% ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis vielleicht auf der einen Bahnstrecke zu schlecht und der Verkehr wird eingestellt, bei 70% ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis vielleicht auf einer anderen Bahnstrecke günstig und der Verkehr wird ausgedehnt. Die Frage ist also nicht, ob die WQB "rentabel" wäre oder ob 100 Leute mehr oder weniger mitfahren würden, sondern das exakte Kosten-Nutzen-Verhältnis. Und das lässt sich nicht "auf die Schnelle" bestimmen.

Ein anderes Beispiel: Der SPNV zwischen Kaisersesch und Andernach, bis 2000 stilllgelegt, ebenfalls eine Strecke mit vergleichbarer Länge. Hier hättest du ebenso argumentieren können: Wer soll denn da zum Spaß durch die Wälder mitfahren? Immerhin verläuft die A48 direkt von Kaisersesch nach Koblenz, der Bahnhof ist vom Ortskern zu Fuß kaum akzeptabel erreichbar, Kaisersesch ist mit rund 3000 Einwohnern noch kleiner als Prüm und Monreal auch kein Beispiel für einen Bahnhof in der Mitte des Ortes. Die Strecke wurde anfangs probeweise reaktiviert und dann in einen festen SPNV umgewandelt, da der Besteller das Kosten-Nutzen-Verhältnis positiv bewerte.

Fahrgastprognosen sind ganz sensible Daten - hierzu ein Beispiel:Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es übrigens auch rund 7360 Menschen im Eifelkreis Bitburg-Prüm, die "auspendeln" und von denen 14% ihre Arbeit im Vulkaneifel-Kreis gefunden haben. Umekehr kommen 28% der rund 5.590 "Einpendler" aus dem Vulkaneifelkreis. Was bedeutet das? Zunächst nix. Es müsste aber genau geprüft werden, wieviele der "Auspendler" in den Vulkaneifelkreis aus Prüm bzw. aus der direkten Nähe der Stadt Prüm kommen und wie gut ihre Arbeitsstelle per ÖPNV erreichbar wäre. Und umgekehrt müsste genau geprüft werden, wieviele der "Einpendler" beispielsweise in Gerolstein oder Daun wohnen und in Prüm arbeiten. Dabei ist klar: Das ist wiederum nur ein Bruchteil der Gesamtmenge. Doch dieser Bruchteil ist entscheidend: Trifft dies am Ende auf nur 25 "Einpendler" und nur 25 "Auspendler" zu, die auch bereit wären mit der WQB zu fahren, wären dies immerhin tagtäglich 50 Fahrgäste je Richtung mehr oder weniger.
Dann müsste man schauen: Wieviele Prümer Jugendliche besuchen beispielsweise die Berufsschule in Gerolstein oder andere Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen in Gerolstein? Wieviele sind in der Gegenrichtung unterwegs? Das könnten wiederum in der Summe 50 Fahrgäste je Richtung sein.

Dabei sind das nur "Peanuts". Viel zentraler für die Fahrgastprognose: Allein in Prüm wohnen 6.000 Einwohner und Lissingen und Müllenborn kommen auch noch zusammen auf rund 1.000 Einwohner. Dazu reisen jährlich 27.000 Übernachtungsgäste nach Prüm. Dazu gibt es eine große Anzahl an Tagesausflüglern (nicht zuletzt per Rad), meines Wissens geschätzt über 100.000. Und Die WQB hätte eine für vergleichbare SPNV-Strecken erfreuliche Nachfrage, wenn nur 5% dieser Personen per Bahn fahren würden.

Und dann müsste man berücksichtigen, dass nicht allein die Fahrgastzählungen entscheidend sind. Volkswirtschaftlich müsste auch berücksichtigt werden, wieviele zusätzliche Gäste durch die Bahn nach Prüm kämen und wie hoch ihre Wertschöpfung wäre. Und für die Stadt Prüm: Wieviele Menschen sich dort ansiedeln, weil sie eben beispielsweise eine SPNV-Anbindung an das Krankenhaus in Gerolstein haben.

Und...und...und...

Gruß M&M
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